Wir sind wütend. Im Zuge der Präsidentschaft über die G20-Staaten hat Deutschland Afrika auf die Agenda gesetzt. Und Deutschland lädt zur „G20-Afrika-Partnerschafts-Konferenz“ ein, die am 12. und 13. Juni im Schöneberger Gasometer in Berlin stattfindet, im Vorfeld des G20-Treffens im Juli in Hamburg.
Was für eine Partnerschaft soll das sein? Schon einmal, während der Zeit des Sklavenhandels, sind viele Menschen im Meer ertrunken. Weil man sie über Bord geworfen hat. Oder weil sie selbst gesprungen sind, um der Hölle des Sklavenschiffes und der Plantage zu entgehen. Heute ertrinken sie bei dem Versuch, in überfüllten Booten Europa zu erreichen. Auf der Suche nach einem sicheren, besseren oder einfach anderen Leben.
Wir sind wütend. Die Europäische Union schottet sich ab. Und sie verlegt ihre Außengrenzen auf den afrikanischen Kontinent. Dafür sorgen dreckige Deals mit korrupten und verbrecherischen afrikanischen Regimes wie dem Sudan oder Eritrea, die mit so genannter Entwicklungshilfe überhäuft werden, um die Fluchtrouten dicht zu machen. Mobilitätspartnerschaft nennt man das oder besseres Migrationsmanagement. Der Effekt ist, dass die Mobilität auf dem afrikanischen Kontinent zunehmend eingeschränkt wird.
Grenzen errichten in Afrika – da kennt sich Europa aus. Während der sogenannten Kongo-Konferenz, die 1884/85 in Berlin stattfand, haben die Kolonialmächte Afrika unter sich aufgeteilt. Das koloniale Erbe prägt die Gegenwart. Auch wenn heute von Partnerschaft die Rede ist. Worte können verschleiern. Und manchmal sind sie verräterisch. Im Marshall-Plan für Afrika, den sich der deutsche Entwicklungsminister ausgedacht hat, ist von Reform-Champions die Rede. Afrikanische Staaten dürfen mitspielen, wenn sie sich nur artig benehmen. Das ist paternalistisch, der Marshall-Plan ist ein Master-Plan. Der Master ist – neben dem Minister – die Privatwirtschaft der G20-Staaten, die zu Investitionen angereizt werden soll. Immerhin gibt es was zu holen: Die Einwohnerzahl Afrikas soll sich bis zur Mitte des Jahrhunderts verdoppeln – eine beachtliche Anzahl billiger Produzent*innen und Konsument*innen. Das weckt Begehrlichkeiten bei den Verfechter*innen des Marktes.
Heute trifft man sich also wieder in Berlin. Und dieses Mal dürfen auch ausgewählte afrikanische Regierungen mit am Tisch sitzen. Worüber wird man sprechen? Was macht die Partnerschaft aus? Wer könnte davon profitieren? Vielleicht die biometrische Industrie, eine Wachstumsbranche, die zunehmend für afrikanische Länder produziert, damit diese ihre Grenzen besser kontrollieren können. Das in Berlin ansässige Unternehmen Veridos zum Beispiel, an dem auch die Bundesdruckerei beteiligt ist, rüstet die Grenzanlagen Marokkos auf, in Form von elektronischen Geräten, die gefälschte Pässe erkennen sollen. Die deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit wiederum liefert Ausrüstung für den Grenzschutz u.a. in den Sudan und nach Eritrea, darunter Autos, Kameras, Scanner und Server. Die Aufzählung ließe sich fortführen. Der Bau von Grenzanlagen jedenfalls ist ein lohnendes Geschäft. Es verspricht nicht nur Rendite, sondern auch ein halbwegs ruhiges Leben in der europäischen Wohlfühlzone, ohne Masseneinwanderung und lästige Bilder von angeschwemmten Leichen an südeuropäischen Stränden in den abendlichen Nachrichtensendungen.
Wir sind wütend. Und wir glauben nicht an eure Marshall- und Masterpläne. Hört auf mit dem zynischen Gerede über Partnerschaft!
Wenn ihr Fluchtursachen bekämpfen wollt, dann schafft euch selber ab. Ihr – Eure Waffen und Eure Konzerne – seid Organisator*innen des Elends, das ihr zugleich verwaltet, aus dem ihr Profit schlagt. Aber die Toten im Mittelmeer und an den anderen Außengrenzen sind eure moralische Bankrotterklärung. Und wenn Ihr unsere Mobilität einschränken wollt, dann lasst euch sagen, dass Bewegungsfreiheit ein fundamentales Recht ist. Mit welcher Begründung wollt ihr es uns vorenthalten? Eure nationalstaatliche Logik hat ausgedient. Sie findet keine Antwort mehr auf die Fragen unserer Zeit. Mensch ist Mensch und damit basta.
Wir sind wütend. Und wir werden weiter kämpfen. Unser Erbe sind Erfahrungen aus antikolonialen Befreiungsbewegungen und anderen solidarischen Kämpfen. Wir leisten tagtäglich Widerstand. Wir haben Grenzen überwunden. Wir werden Grenzen überwinden. In unseren Köpfen und solche aus Beton und Stahl. Wir lassen uns nicht kontrollieren. Wir kommen immer wieder. Und gehen dahin, wo es uns passt.
Wer wir sind? Wir sind eine Fiktion, aber dennoch real. Wir sind viele. Wir sprechen unterschiedliche Sprachen. Wir haben nicht dieselben Erfahrungen gemacht: Wir sind die, deren Vorfahren Sklaven waren. Wir sind die, deren Vorfahren Sklavenhalter waren. Wir sind die, die vom System ausgepresst worden sind. Wir sind die, die vom System profitiert haben. Uns verbindet die Geschichte, auch wenn sie uns trennt. Uns verbindet die Gegenwart, auch wenn sie uns trennt. Was uns eint, ist die Hoffnung auf ein besseres Leben, jenseits der kapitalistischen Zurichtung dieses Planeten und jenseits von Mobilitätskontrolle. Was uns eint, ist der Glaube an eine solidarische Welt, ohne die G20 und ihre monströsen Inszenierungen. Diese Welt ist jetzt, wir erschaffen sie täglich, immer wieder aufs Neue. Die Zukunft hat schon begonnen.
Solidarisch gegen Ausbeutung und Unterdrückung!