Wir - ein Zusammenschluss von zahlreichen Bürgerrechtsorganisationen und zivilgesellschaftlich engagierten Gruppen - rufen für Donnerstag, den 27. April 2017, um 18 Uhr zu einer Kundgebung gegen die geplante Strafrechtsverschärfung für Angriffe auf Vollstreckungsbeamte vor dem Bundestag (Platz der Republik) auf.
Die geplante Gesetzesänderung sieht für tätliche Angriffe auf Polizist*innen und andere Vollstreckungsbeamte künftig eine Mindeststrafe von 3 Monaten Haft vor. Wir lehnen diese Gesetzesänderung als völlig unverhältnismäßig ab.
Der von den Gerichten äußerst weit definierte Begriff des „tätlichen Angriffs“ ist in der Praxis schnell erfüllt. So könnte bereits ein einfaches Schubsen künftig zu einer Haftstrafe führen. Verletzungsfolgen oder -absichten sind hierfür nicht erforderlich. Diese Gesetzesverschärfung ist nicht nur drakonisch und grundlos, sie zeigt auch eine autoritäre Staatsauffassung seitens der Bundesregierung und Regierungsfraktionen. Auch
führt sie zur erleichterten Kriminalisierung von Demonstrationsteilnehmer*innen, etwa bei engen Einschließungen oder bei Gerangel an Polizeiketten, und bei Aktionen zivilen Ungehorsams beim Wegtragen.
Zudem verstößt es gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Angriffe auf Vollstreckungsbeamt*innen künftig deutlich stärker sanktioniert werden sollen, als solche, die sich gegen Bürger*innen richten. Eine solche Privilegierung ist grundlos, denn die für alle Bürger*innen geltenden Strafnormen der Nötigung und
Körperverletzung schützen auch Polizist*innen und andere Amtsträger*innen.
Eine steigende Gewalt gegenüber Polizist*innen – welche die Strafrechtsverschärfung rechtfertigen soll - lässt sich hingegen nicht nachhaltig nachweisen. Die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zählt lediglich das polizeiliche Anzeigeverhalten, nicht hingegen rechtskräftigabgeurteilte Straftaten.
Die Strafrechtsverschärfung macht uns insbesondere auch deshalb Sorge, weil sie die Aufklärung rechtswidriger Polizeigewalt weiter erschwert. Seit Jahren weisen Bürgerrechtsorganisationen auf das Problem häufig folgenlos bleibender rechtswidriger Polizeigewalt hin. Die geringe Anzeigequote gegen rechtswidrig agierende Polizist*innen beruht unter anderem darauf, dass Opfer regelmäßig mit einer Gegenanzeige wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte überzogen werden. Die Strafrechtsverschärfung für dieses Delikt, trägt nun die Gefahr in sich, dass Opfer von Polizeigewalt künftig noch häufiger von Anzeigen absehen werden.
Für eine aktive Zivilgesellschaft und gelebte Demokratie brauchen wir eine Gesetzeslage, die nicht vor Beteiligung an Versammlungen abschreckt. Vielmehr bedarf es unabhängiger Kontrollinstanzen gegen Polizeigewalt. Anerkennung polizeilicher Arbeit darf nicht durch ein Sonderrecht für die Repräsentanten des staatlichen Gewaltmonopols zum Ausdruck kommen.
* Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolizistInnen
* Humanistische Union e.V.
* Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
* linksjugend ['solid] Brandenburg
* linksjugend ['solid] Berlin
* Kampagne „Nein zum Polizeistaat“
* Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
* SJD - Die Falken, Landesverband Brandenburg
* Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V.
Pressemitteilung:
Kundgebung gegen geplante Strafrechtsverschärfung zum Schutz von Polizist*innen
http://www.grundrechtekomitee.de/node/851
Weiterführende Informationen:
Gemeinsame* Stellungnahme zum Gesetzentwurf Drs. 18/11161:
http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/gemeinsame-stellungnahme-zum-gesetzentwurf-drs-1811161-520/
Kann und soll das Strafrecht Polizist*innen schützen?:
http://www.grundrechtekomitee.de/node/841
Online-Kampagne zum Unterzeichnen:
https://weact.campact.de/petitions/nein-zum-polizeistaat-stoppt-die-anderungen-der-ss113-und-ss114stgb-2?source=twitter-share-email-button
<https://weact.campact.de/petitions/nein-zum-polizeistaat-stoppt-die-anderungen-der-ss113-und-ss114stgb-2?source=twitter-share-email-button&time=1490858
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Elke Steven
Komitee für Grundrechte und Demokratie/ Committee for fundamental Rights and Democracy
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