Ein Jahr nach G20 - Festival der grenzenlosen Solidarität
Ein Jahr nach dem G20-Gipfel in Hamburg wird das nächste Stelldichein von Kriegstreibern, autoritären Führern und kalten Neoliberalen im November 2018 in Argentinien stattfinden. Die Oberhäupter der mächtigsten und reichsten Staaten werden sich wie seit 1999 erneut das Recht herausnehmen, Entscheidungen für die ganze Welt zu treffen. Und schon jetzt ist sicher, dass die Ergebnisse des millionenteuren Gipfelspektakels in Buenos Aires ebenso mager sein werden wie in Hamburg. Nichts wird vereinbart werden, das irgendwie dabei helfen würde, die weltweiten Ungerechtigkeiten zu überwinden, die Klimakrise zu bewältigen oder die mörderischen Kriege zu beenden. Kein Wunder, ist es doch der von den G20 repräsentierte globale Kapitalismus selbst, der für diesen Zustand unserer Welt verantwortlich ist.
Internationale Gipfel sind stets auch Gipfel des Sicherheitswahnsinns und der Repression. In Hamburg waren über 30.000 Einsatzkräfte aufgeboten, um die Staatsgäste von jedem Protest abzuschirmen. Auf über 38 Quadratkilometern mitten in einer Großstadt war jede Versammlung verboten. Protestierende sollten abgeschreckt werden und die Grundrechte und die Bewegungsfreiheit der Bewohner_innen hatten hinter den maßlosen Sicherheitsinteressen der Staatschefs und ihrer Delegationen zurückzutreten. Die meisten Hamburger_innen haben noch immer den nervtötenden Dauer-Lärm der Hubschrauber im Ohr, mit dem sie Tag und Nacht terrorisiert wurden.
Während des Gipfels setzte die Polizei gezielt auf Eskalation. Camps wurden umstellt, Demonstrationen mit massiver Gewalt angegriffen. Zahlreiche Protestierende wurden zum Teil schwer verletzt und bei mehreren Gelegenheiten gab es nur durch Glück keine Todesopfer. Im Nachgang wurden die Geschehnisse durch Politik, Polizei und Teile der Medien auf den Kopf gestellt. Der damalige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), inzwischen Vizekanzler und Bundesfinanzminister, verbreitete die dreiste Lüge, dass es „keine Polizeigewalt gegeben“ habe. Die vielfach dokumentierte Gewalt der Polizei bleibt bislang straflos, Ermittlungen werden eingestellt. Dagegen werden Menschen schon wegen angeblicher Flaschenwürfe zu Terroristen erklärt, öffentlich zur Fahndung ausgeschrieben und von einer politischen Justiz monatelang in Untersuchungshaft gesteckt, teilweise auch mit fadenscheinigen Begründungen zu völlig unverhältnismäßigen Haftstrafen verurteilt.
Die G20-Proteste sind nicht Ursache, sondern nur ein weiterer willkommener Anlass, um immer mehr Bewaffnung der Polizei, immer schärfere Gesetze und immer mehr Überwachung durchzusetzen. Bayern hat gerade trotz massenhafter Proteste sein Polizeigesetz verschärft, Sachsen, NRW und Niedersachsen wollen folgen.
Die G20-Proteste haben aber nicht nur einschüchternde und traumatisierende Erlebnisse der Repression gebracht, sondern wir haben auch viel Positives und Bestärkendes miteinander erlebt. An vielen Orten unserer Stadt wurde die oft beschworene Solidarität praktisch: Als die Camps verboten wurden, haben Kirchengemeinden, das Schauspielhaus, das St. Pauli-Stadion und viele Hamburger_innen ihre Türen geöffnet und Aktivist_innen beherbergt. Auf dem „Gipfel für globale Solidarität“ haben tausende Menschen gemeinsam diskutiert, wie eine andere, bessere Welt jenseits des globalen Kapitalismus aussehen kann. Auf den Straßen haben wir der Repression getrotzt: Wir haben gefeiert, getanzt, die Demonstrationsverbote unterlaufen, die Konvois von Trump und anderen blockiert und schließlich mit fast 80.000 Menschen gemeinsam demonstriert.
An dieses Gefühl gelebter Solidarität werden wir in diesem Jahr anknüpfen und wieder an vielen Orten in der Stadt sichtbar sein. Wir stehen noch immer für eine Welt der grenzenlosen Solidarität ein: Gegen die rassistische Abschottung und für sichere Fluchtrouten. Gegen den Krieg der Türkei und der anderen Regionalmächte in Syrien und Kurdistan. Gegen die Interessen der Kohle- und Autoindustrie und für Klimagerechtigkeit. Gegen den Verkauf unserer Städte an Investoren und für das Recht auf menschenwürdigen Wohnraum für alle.
Ein Jahr nach G20 stehen wir gemeinsam gegen die Repression. Wir fordern die Einstellung aller Verfahren gegen Gipfelgegner_innen und die sofortige Freilassung aller, die immer noch sitzen. Wir fordern stattdessen Konsequenzen für die politisch Verantwortlichen im rot-grünen Senat für die polizeiliche Eskalationsstrategie – am dringendsten die sofortige Entlassung des damaligen Einsatzleiters und jüngst zum Schutzpolizeichef beförderten Hartmut Dudde sowie von Innensenator Andy Grote (SPD). Und wir stehen gemeinsam gegen alle Verschärfungen des Polizeirechts, den Ausbau des Überwachungsstaats und die weitere Aushöhlung demokratischer Grundrechte.
Demokratie kommt nicht von oben, sie entsteht nicht auf Gipfeltreffen der reichsten und mächtigsten Staaten. Gegen die Arroganz der Macht setzen wir auf die Solidarität der Vielen – in Hamburg, in München, in Düsseldorf, in Rojava, in Buenos Aires und anderswo.